Ödipus

Tragödie von Sophokles

 

Textfassung von Johannes C. Hoflehner
nach der Bearbeitung und Übersetzung von Hugo von Hofmannsthal
Neue Texte "Ödipus Kabinett 1 - 4" von Wolfgang Kindermann

Inszenierung und Raum Johannes C. Hoflehner
Video-Visualisierungen K.U.SCH.
Kostüme Katharina E. Rodax
Regieassistenz Julia Gröblacher
Licht und Technik Thomas Nichtenberger
Produktion Theater Forum Schwechat

Mit Rainer Stelzig (Ödipus), Birgit C. Krammer (Iokaste), Peter Austin-Brentnall (Priester), Peter Bocek (Kreon) und Wolfgang Oliver (Bote)
Stimme von Klaus Haberl (Hirte)

Ödipus ist die Geschichte von einem Herrscher, der sein Volk vor einer Seuche rettet, indem er bedingungslos die Wahrheit sucht. Das Orakel von Delphi trägt Ödipus auf, den Mörder seines Vorgängers König Lajos zu finden, damit die Pest wieder aus der Polis verschwindet. Die Geschichte ist bekannt: Selbstbewusst geht Ödipus die Aufgabe an. Befragungen finden statt, Spuren werden aufgedeckt, es wird beraten. Ein schlimmer Verdacht verhärtet sich und Ödipus' Ermittlung entwickelt sich zur hetzvollen Jagd nach der Identität seiner selbst. Es ist eine politische Erzählung, die erst am Ende auch zu einer Familiengeschichte wird. In den Jahrhunderten vor Freud wurde diese Tragödie auch immer vorerst politisch-gesellschaftlich gesehen und interpretiert, erst seit Freud steht der psychoanalytische Aspekt des "Ödipus-Komplex" im Vordergrund, der die politische Aussage verdrängt hat.

Die neue Interpretation von Regisseur Johannes C. Hoflehner wandte sich wieder dem politischen Blickwinkel zu und hat das Drama mit dem Aspekt der österreichischen Vergangenheitsbewältigung verknüpft. Der in antiken Stoffen sehr erfahrene Autor Wolfgang Kindermann steuerte Texte bei, die den Politiker Ödipus in seinem Beraterkabinett zeigen. Die Künstlergruppe K.U.SCH. gestaltete packende Videoprojektionen als optisch dominierendes, zeitgenössisches Element. Sophokles (496 - 406/405 v. Chr.) war der mittlere der drei großen antiken griechischen Tragödiendichter neben Aischylos und Euripides. Seine sieben erhaltenen Stücke, vor allem Antigone, Elektra und Ödipus, sind auf den Bühnen der ganzen Welt zu sehen. Eines der ältesten Werke der europäischen Dramenliteratur wurde im September 2009 erstmals in Schwechat aufgeführt.

KRITIK von Franco Schedl
Als überzeugter Trinitarier offenbart sich Theaterleiter und Regisseur Johannes C. Hoflehner an diesem Abend, da er sich nicht damit begnügen will, die Sophokles-Tragödie in der schönen hofmannsthalschen Verdeutschung geradlinig und simpel zu inszenieren, sondern das Stück in dreifach reflektierter Weise auf uns wirken lässt. Laut seiner These ist jene Pestseuche, die zum Auslöser von Ödipus Wahrheitsfindung wird, auf österreichische Verhältnisse übertragen, gleichbedeutend mit rechtsradikalen Tendenzen, deren Wurzeln durch Verdrängung und Verleugnung unserer kollektiven Geschichte genährt werden. Und daher beauftragte er den für regelmäßige Besucher des Theater Forum Schwechat keineswegs unbekannten Dramatiker Wolfgang Kindermann mit einer "Intervention zu König Ödipus nach Sophokles". In diesen parallel zur klassischen Handlung eingestreuten Szenen wird die Titelfigur zum österreichischen Staatsmann, der seine Berater mit zeremoniell hochgekrempelten Ärmeln am Konferenztisch versammelt, um herauszufinden, wie mit der Situation umzugehen ist. Übrigens kann Kindermanns vielstimmiger (z.B. mit geflügelten Worten unserer politischen Pleitegeier angereicherter) Text über die "braune Flut" aus "blau umrandeten Wunden" diesmal sogar im besonders umfangreich geratenen Programmheft nachgelesen werden. Ist Theater an sich schon eine äußerst visuelle Angelegenheit, bedient Hoflehner den Schautrieb des Publikums zusätzlich noch auf einer weiteren Ebene mit Hilfe des Künsterlkollektivs K.U.SCH, dank dessen Video-Visualisierungen jede Szene ihr eigenes Gepräge und einen speziellen Rhythmus erhält. Rainer Stelzig leiht dem armen Schwellfuß seinen Körper und vor allem seine Stimme, um eine Textfülle, an der auch jeder nicht vom Schicksal Verfluchte schier verzweifeln könnte, mit Bravour zu meistern; darüber hinaus darf er durch einen Spiegeltrick in die Rolle des Sehers Teiresias schlüpfen. Vervollständigt wird das Ensemble von seinen nicht minder exzellenten Kollegen Peter Austin-Brentnall, Peter Bocek und Wolfgang Oliver. Birgit C. Krammers einzige Schwäche als Iokaste stellt ihr Alter dar: dass sie die Mutter dieses Ödipus sein könnte, würde ihr niemand abnehmen (aber das ist ja zugleich als Kompliment zu werten).
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Premiere Saison 2009/10